25 Mai 2021
| SaldoDie Bürger entlasten, die Banken belasten
Mit einer Mikrosteuer auf Finanztransaktionen könnte der Bund die Corona- Schulden abbauen, ohne die Bürger zu belasten.
Das sagt der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney.
Ueli Maurer schnürt als Finanzminister ein milliardenschweres Corona- Hilfspaket nach dem andern. Das kommt gut an – doch wohl nur so lange, bis der Bund seine Schulden wieder abbauen muss. Gemäss Angaben des Eidgenössischen Finanzdepartements sind bei Bund, Kantonen und Gemeinden im vergangenen Jahr Defizite von über 19 Milliarden Franken aufgelaufen. Rund 90 Prozent der Kosten trägt der Bund. Für das laufende Jahr ist mit Defiziten von weiteren rund 25 Milliarden Franken zu rechnen. Zum Vergleich: 2019 nahm der Bund via Mehrwert-, Stempel- und direkter Bundessteuer rund 48,6 Milliarden Franken ein.
Es droht eine Erhöhung der unsozialen Mehrwertsteuer
Die Gefahr ist gross, dass der Bund das Coronadefizit über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder höhere Einkommenssteuern bewältigen wird. Beides würde die Bürger belasten.
Bei der Mehrwertsteuer sind Wenigverdiener schon heute benachteiligt. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik: Wer pro Monat weniger als 5000 Franken verdient, liefert 4,66 Prozent des Einkommens als Mehrwertsteuer ab. Bis 7300 Franken Einkommen sind es 3,81 Prozent, bei über 13 700 Franken nur noch 2,96 Prozent.
Marc Chesney, Finanzprofessor an der Universität Zürich, hat eine Alternative: Mit der sogenannten Mikrosteuer könnte der Bund seine Schulden abbauen, ohne seine Bürger zur Kasse zu bitten. «In Zeiten der Digitalisierung der Wirtschaft ist es kontraproduktiv, die Arbeit und den Konsum so stark wie bisher zu besteuern. Besser wäre es, wenn der gesamte Zahlungsverkehr abgabepflichtig wäre», sagt Chesney. Auf diese Weise würde neu auch die Finanzwirtschaft automatisch einen Beitrag an die Steuern leisten.
Zusammen mit anderen hat der Professor eine Initiative gestartet (saldo 17/2018). Die Idee: Künftig wird nicht mehr die Arbeit der Menschen, sondern die «Arbeit des Geldes» besteuert. Bei jeder elektronischen Transaktion fällt eine Mikrosteuer an, die 0,1 bis maximal 0,5 Prozent beträgt (siehe Kasten). Damit käme so viel Geld in die Bundeskasse, dass die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer sowie die Stempelsteuer abgeschafft werden könnten.
Es gilt das Prinzip: Wer viel Geld bewegt, zahlt auch mehr Steuern. Das entlastet die normalen Steuerzahler. Der Konsum wird günstiger, weil die Mehrwertsteuer wegfällt. Dafür leistet die Finanzindustrie, die gigantische Gewinne einfährt und aktuell nur wenig Steuern bezahlt, neu einen Beitrag zum Steuersubstrat.
Chesney lancierte das Volksbegehren Anfang 2020 mit einem überparteilichen Komitee. Bislang unterschrieben 50 000 Stimmberechtigte. Die Unterschriftensammlung läuft noch bis Ende dieses Jahres.
Chesney ist vor allem die Spekulation mit Derivaten ein Dorn im Auge. Das sind Finanzinstrumente, mit denen Spekulanten auf steigende oder sinkende Kurse wetten. Und das im grossen Stil: Gemäss Statistiken der Schweizer Börse Six beliefen sich diese Finanzwetten Ende 2020 auf rund 19 Billiarden Franken. Die Realwirtschaft darbe während der Pandemie – und die Bankmanager machten gleichzeitig das Geschäft ihres Lebens, kritisiert Chesney. Dies könnte mit der Mikrosteuer korrigiert werden.
Max Fischer
So würde die Mikrosteuer funktionieren:
- Beispiel 1:
Mit der Mehrwertsteuer von aktuell 7,7 Prozent kostet ein 1000 Franken teurer Laptop heute 1077 Franken. Bei einem angenommenen Mikrosteuersatz von 0,1 Prozent müsste der Käufer nur 1001 Franken bezahlen, der Verkäufer erhielte 999 Franken. Der Steuerertrag von 2 Franken ginge an die Eidgenössische Steuerverwaltung. Gleichzeitig würde die Mehrwertsteuer entfallen. - Beispiel 2:
Wer an der Börse Fondsanteile für Fr. 6942.60 kauft, zahlt heute eine eidgenössische Stempelsteuer von Fr. 5.20. Diese würde künftig wegfallen, stattdessen eine Mikrosteuer von 0,1 Prozent erhoben, also ein Betrag von Fr. 6.95. - Beispiel 3:
Eine Familie mit zwei Kindern und einem steuerbaren Jahreseinkommen von 85 000 Franken zahlte im vergangenen Jahr 769 Franken Bundessteuern. Diese würde durch die Mikrosteuer abgelöst. Die Familie müsste also keine Bundessteuer mehr zahlen.